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Taktische Führung – der Angriff

Interessant, aus erster Hand (Schweizer Armee) zu erfahren, was hinter dem Begriff Angriff steckt. Ob sich die eine oder andere Mechanik übernehmen lässt, um im Geschäftsleben eine sportliche Konkurrenzkampagne zu führen? 

Umsetzung am Boden: Angriff

 Der Angriff hat zum Ziel, den Gegner aufzusuchen, um ihn zu vernichten, zu zerschlagen, ihm Gelände zu entreissen oder ihn zur Aufgabe des Kampfes zu zwingen.

Der Angriff besteht im wesentlichen aus zwei entscheidenden Phasen: Aufsuchen des Gegners ( Bewegungsformen), Erbringen der eigentlichen Gefechtsleistung (Angriffsarten).

Angriffe im Rahmen der Verteidigung sind in der Regel reaktiver Art und werden als Gegenangriffe bezeichnet. Sie werden meist durch Reserven oder andere rasch verfügbare Kräfte – auch im Sinne der Chancennutzung – geführt, und richten sich vielfach gegen gegnerische Kräfte, die in einem Stauraum aufgelaufen, noch in Bewegung oder erst flüchtig eingerichtet sind.

Der Angreifer hat den Vorteil der Initiative. Er bestimmt Zeit und Ort sowie erstes Ziel der Aktion. Er setzt alles daran, die Freiheit des Handelns im Verlaufe des Angriffs nicht zu verlieren. Es gilt an den entscheidenden Stellen die Überlegenheit – vornehmlich durch Feuer – zu gewinnen. Günstige Gelegenheiten zum Angriff ergeben sich, wenn der Gegner in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt ist. Ausnützen von Schwächen des Gegners kann zu einer örtlichen Überlegenheit führen.

Für infanteristische Truppen müssen vor allem genügend Deckungen vorhanden sein, um die Vorbereitungen und die Annäherung zu schützen. Mechanisierten Kräften soll das Gelände eine rasche Annäherung auf möglichst breiter Front ermöglichen; damit wird die nötige Entfaltung der Angriffskräfte gewährleistet. Die Abriegelung des Gefechtsfeldes erleichtert die Bildung örtlicher Überlegenheit. Dabei ist auch der Luftraum mit einzubeziehen. Mit Rücksicht auf mögliche Einsätze mit ABC-Kampfmitteln ist die Zusammenfassung der Kräfte so spät wie möglich und so rasch und nah wie möglich am Gegner durchzuführen.

10.4.1 Bewegungsformen

Es werden folgende Bewegungsformen unterschieden: Flankenangriff, Umfassung, Frontalangriff, Durchbruch, Infiltration.

10.4.1.1 Flankenangriff

Durch Flankenangriffe wird der Gegner dazu gezwungen, in zwei oder mehr Richtungen zu kämpfen. Mit Teilen der Kräfte wird der Gegner frontal gebunden, während die Hauptstreitkräfte mit Angriffen in die Flanken dessen Verbindungswege und Rückzugsrouten abschneiden. Der Gegner soll aus einer unerwarteten Richtung angegriffen, von seinen Verbindungen abgeschnitten und wenn möglich eingeschlossen werden. Es ist anzustreben, den Gegner gleichzeitig frontal zu binden. Das Nachfliessen weiterer gegnerischer Kräfte ist zu unterbinden. Der Flankenangriff trägt vornehmlich den Gefechtsgrundsätzen Schwergewichtsbildung und Überraschung Rechnung.

10.4.1.2 Umfassung

Die Umfassung hat zum Ziel, mit einer weiträumigen Bewegung durch mechanisierte Verbände den Gegner einzuschliessen und zu vernichten. Sie muss den Gefechtsgrundsätzen Überraschung, Einfachheit und Sicherheit genügen. In einer ersten Phase soll die Annäherung ohne Feindkontakt erfolgen. Die Umfassung erfordert eine besonders aufwändige Planung und Koordination aller beteiligten Kräfte.

10.4.1.3 Frontalangriff

Der Frontalangriff ist die direkteste Bewegungsform. Er entspricht in idealer Weise den Gefechtsgrundsätzen Einfachheit und Konzentration der Kräfte. Er ist dann die beste Wahl, wenn Angriffe rasch durchgeführt werden müssen und die Gewähr besteht, überlegen (Mittel, Überraschung) zu sein. Wenn gegnerische Flanken nicht angreifbar sind oder wenn die Zeit keine andere Bewegungsform erlaubt, wird der Durchbruch gewählt.

10.4.1.4 Durchbruch

Beim Durchbruch versucht der Angreifer, den Gegner auf schmaler Front zu vernichten, um eine Bresche ins Verteidigungsdispositiv zu schlagen und günstige Voraussetzungen für das Nachstossen der Hauptkampfmittel zu schaffen. Mit einem anschliessenden Angriff in den Rücken des Gegners werden dessen rückwärtige Verbindungen unterbrochen. Der Durchbruch trägt vornehmlich den Gefechtsgrundsätzen Schwergewichtsbildung und Einfachheit Rechnung.

10.4.1.5 Infiltration

Die Infiltration bezweckt, Kräfte bei schlechter Sicht und unter Ausnützung von Geländebedeckungen unbemerkt durch ein vom Gegner besetztes Gebiet in die Angriffsgrundstellung zu verschieben. Diese Bewegungsform ist zeitaufwändig. Sie ist in der Regel der unteren Führungsebene vorbehalten und entspricht in idealer Weise dem Gefechtsgrundsatz der Überraschung.

10.4.2 Angriffsarten

Es werden folgende Angriffsarten unterschieden: Gegenangriff, Hinterhalt, Überfall, Handstreich.

10.4.2.1 Gegenangriff

Unter Gegenangriff werden Angriffe im Rahmen der Verteidigung und der Verzögerung verstanden.  Gegenangriffe sind Angriffe rasch verfügbarer Kräfte, die darauf vorbereitet sind  eingedrungene Kräfte aufzufangen, zu zerschlagen oder verlorengegangenes Gelände  zurückzugewinnen sowie eine sich bietende günstige Gelegenheit zu nutzen, um Teile des Gegners zu vernichten.

10.4.2.2 Hinterhalt

Im Hinterhalt wird der Gegner zunächst in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt und anschliessend im Angriff vernichtet. Die Aktion wird überfallartig ausgelöst, in der Regel nach einem Feuerschlag. Stosselemente vernichten den in Verwirrung geratenen Gegner. Seinem mutmasslichen Verhalten ist Rechnung zu tragen. Vor allem sind die Flanken des angreifenden Verbandes abzuschirmen.

10.4.2.3 Überfall

Überfälle sind überraschende, mit Feuer geführte Angriffe zahlenmässig schwacher, aber beweglicher Kräfte. Sie richten sich vor allem gegen Kommandoposten, logistische  Einrichtungen, ruhende Truppen, Transporte sowie allenfalls gegen störende gegnerische Waffen und gegen den aufgelaufenen Gegner.

10.4.2.4 Handstreich

Handstreiche sind gut vorbereitete Angriffe mit begrenztem Ziel. Sie können dazu dienen, wichtige Geländeteile oder Objekte in Besitz zu nehmen. Voraussetzung für den Erfolg sind das Erkennen und das Ausnützen einer gegnerischen Schwäche.

10.4.3 Planung

Jeder Angriff erfordert Vorbereitungen (Aufklärung, Zielverfolgung, BODLUV sowie minimal eine vorteilhafte Luftsituation). Wenn es die Lage erlaubt, den Gegner zu überraschen oder ihm zuvorzukommen, ist ohne zu zögern anzugreifen (Angriff nach kurzer Vorbereitung). Mit der Dauer der Vorbereitungen wächst die Gefahr, dass der Gegner unsere Absicht vorzeitig erkennt. Massnahmen zur Tarnung und Geheimhaltung sind daher zu ergreifen. Die Angriffsvorbereitungen umfassen Erkundung der Anmarschwege, des Bereitstellungsraums, der Angriffsgrundstellung, der Feuerbasen und – soweit möglich – des Einsatzraums, Absprachen bezüglich Kampfunterstützung, Einexerzieren der Aktion am Geländemodell oder im Gelände, Durchführung allfälliger Vorausaktionen.

Die Befehle sind rechtzeitig und wenn nötig gestaffelt zu erteilen, sodass die Unterstellten noch Gelegenheit haben, Einsicht ins Angriffsgelände zu nehmen, die Angriffsgrundstellung zu erkunden und die Stellungen für die Unterstützungswaffen im Einzelnen festzulegen. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen ist es in der Regel zweckmässig, je einen Befehl für den Bezug der Angriffsgrundstellung und einen für den Angriff zu erlassen.

Der Angriff nach kurzer Vorbereitung ergibt sich insbesondere in folgenden Lagen: Begegnungsgefecht,  Kampf gegen luftgelandeten Gegner, Verzögerungskampf. Der Angriff nach kurzer Vorbereitung ist gerechtfertigt, wenn sich die Lage ohne sofortiges Handeln verschlimmert, eine vorübergehende Schwäche des Gegners unausgenützt bliebe oder die Gelegenheit besteht, den Gegner zu überraschen.

In der Anfangsphase kann die Bewegung wichtiger sein als das Feuer. Wer Schlüsselgelände vor dem Gegner in Besitz nimmt, gewinnt die Handlungsfreiheit. Diese kann auf die Dauer jedoch nur gewahrt werden, wenn auch die Unterstützungswaffen zeitgerecht eingreifen. Die auf den Gegner stossenden Kräfte binden ihn im Begegnungsgefecht und schaffen günstige Voraussetzungen für den Einsatz des Gros. Das Gros wird so nachgeführt, dass es rasch erfolgversprechende Aktionen gegen inzwischen erkannte Schwächen des Gegners führen oder in dessen tiefe Flanke eingreifen kann. Da die Lage unklar ist und die Ziele den Unterstellten oft nicht im Gelände gezeigt werden können, ist mit weitgefassten Aufträgen zu führen.

10.4.4 Räumliche Elemente

Räumliche Elemente des Angriffs sind: Bereitstellungsraum (Bstelrm), Annäherung, Angriffsgrundstellung (Ags), Ablauflinie (AL), Angriffsachse/-streifen, Phasenlinien, Zwischenziele (ZZ), Angriffsziel (AZ).

Im Bereitstellungsraum gliedern und organisieren sich die Verbände zum Angriff. Der Bereitstellungsraum wird so spät wie möglich bezogen. Die Entfernung des Bereitstellungsraumes von der Ablauflinie hängt vom Gelände und bei den mechanisierten Verbänden vor allem von der Kontrolle des Luftraumes ab. Auf den Bereitstellungsraum kann verzichtet werden, wenn die Entfernung Bereitschaftsraum-Ablauflinie klein ist. Die Angriffsverbände erstellen in diesem Fall die Gefechtsgliederung im Bereitschaftsraum. Kann nicht in einem Zug aus der Bereitstellung zum Angriff übergegangen werden, ist ein kurzer Zwischenhalt in einer Angriffsgrundstellung einzuschalten. In dieser werden die letzten Vorbereitungen getroffen. Nach kurzem Halt – zwecks Einnahme der Gefechtsformation und der Sicherstellung der Feuerunterstützung – tritt die Truppe zum Angriff an.

Damit die angreifenden Kräfte nach Überschreiten der Ablauflinie nur kurze Zeit dem gegnerischen Feuer ausgesetzt sind, soll die Angriffsgrundstellung so nahe wie möglich am Gegner liegen. Dies gilt auch für die Unterstützungswaffen. Der Bezug der Angriffsgrundstellung erfolgt in Form der rasch durchgeführten Annäherung unter bestmöglicher Ausnützung des Strassen- und Wegnetzes. Es ist eine aufgelockerte Formation zu wählen. Die Angriffsgrundstellung ist durch den angreifenden Verband selbst oder durch schon anwesende Truppen zu sichern.

Der Angriff beginnt mit dem Überschreiten der Ablauflinie. Sie dient der zeitlichen und räumlichen Koordination der Bewegungen der angreifenden Verbände untereinander, sowie des Feuers der unterstützenden Waffen. Ablauflinien müssen im Gelände deutlich erkennbar sein und dürfen kein Hindernis bilden. Wird der Angriff aus einer Angriffsgrundstellung ausgelöst, bildet deren vorderer Rand die Ablauflinie. Einem einzeln angreifenden Verband wird in der Regel eine Angriffsachse zugewiesen. Sie gibt den angreifenden Kräften den Weg zum Angriffsziel in groben Zügen vor. Muss der Angriffsverband seitlich eingegrenzt werden, wird ihm anstelle der Angriffsachse ein Angriffsstreifen zugewiesen.

Die Phasenlinien dienen dazu, die Übersicht über den Angriffsverlauf zu behalten und die räumliche und zeitliche Koordination der Aktionen sicherzustellen. Die Ausdehnung des Angriffsziels soll der Kampfkraft des angreifenden Verbandes angemessen sein. Das Angriffsziel ist nah zu stecken, wenn mit dem Angriff nur ein begrenzter Zweck verfolgt werden soll, wie gewaltsame Aufklärung, Binden oder Täuschen des Gegners. Wenn die Entfernung bis zum Angriffsziel zu gross ist, um den Angriff in einem Zuge durchführen zu können, sind Zwischenziele zu bestimmen, insbesondere dann, wenn die Bewegungen der angreifenden Truppen räumlich und zeitlich koordiniert werden müssen und wenn die Feuerunterstützung nachgezogen und neu aufgebaut werden muss. Im Angriffsziel trifft die Truppe alle Massnahmen, um den Angriff gegebenenfalls weiterzuführen, zur Verteidigung überzugehen, den alten oder einen neuen Bereitschaftsraum zu beziehen.

10.4.4.1 Gliederung und Einsatz der Kräfte

Der Angriff bedarf eines klaren Schwergewichtes. Der Kommandant setzt es dort, wo er sich Erfolg verspricht. In diesem Abschnitt wird das Gros der Stosskräfte und die Masse des Unterstützungsfeuers zusammengefasst. Aus Überraschungsgründen kann ein Angriff ohne Feuervorbereitung angezeigt sein.

Oft ist es zweckmässig, den Gegner gleichzeitig an mehreren Stellen anzugreifen. Reicht das verfügbare schwere Feuer nicht aus, um alle Angriffsverbände gleichzeitig zu unterstützen oder soll der Gegner möglichst lange über die eigene Absicht im unklaren gehalten werden, kann es angezeigt sein, die einzelnen Angriffsverbände zeitlich gestaffelt angreifen zu lassen. Das Schwergewicht ist zu verlegen, wenn der Erfolg sich an einer anderen Stelle abzeichnet als ursprünglich erwartet wurde oder wenn der ursprüngliche Entschluss zu untragbaren Verlusten führen könnte. Dazu dienen die Reserven und die Unterstützungswaffen. In unklarer Lage sind die Angriffskräfte in die Tiefe zu staffeln, um in der Lage zu sein, der Entwicklung der Lage durch Verlegen von Stossrichtung und Schwergewicht Rechnung zu tragen, bedrohte Flanken zu schützen sowie den Angriff zu unterstützen und damit Handlungsfreiheit zu gewinnen.

Durch die Staffelung in die Tiefe müssen folgende Nachteile in Kauf genommen werden: es wird vorerst nur ein Teil der Stosskraft zur Wirkung gebracht, der Gegner kann seine Feuermittel konzentrierter einsetzen, die Gefahr steigt, dass nachgeführte Truppen abgeriegelt und in Teilen gestört oder zerschlagen werden.

Bei klarer Lage sind die Angriffskräfte in der Regel in die Breite zu entwickeln, mit den Vorteilen, viel Feuer gleichzeitig zur Wirkung zu bringen, grosse Teile des Gegners zu binden und sein Feuer aufzusplittern, den Schwerpunkt vorerst verschleiern zu können sowie Schwachstellen des Gegners schneller finden und ausnützen zu können.

Die Nachteile der Gliederung in die Breite sind das frühzeitige Binden der eigenen Kräfte, was Schwergewichtsverlagerungen erschwert, die Verminderung der frei verfügbaren Reserven, die erhöhte Gefährdung in den Flanken und im Rücken.

In den Nebenabschnitten ist der Gegner mit begrenzten Aktionen zu binden. Keilformationen sind für die Führung des Angriffs besonders geeignet. Seitlich zurückgestaffelte Verbände schützen offene Flanken.

Die Breite des Angriffsstreifens einer angreifenden Infanteriekompanie beträgt etwa 500 m, diejenige einer Panzerkompanie etwa 1’000 m. Die Abstände zwischen den einzelnen Angriffselementen sind abhängig von der Tiefe der Geländekammern, der Eigenart der Stosskräfte sowie der Luftlage. In jedem Fall muss der Abstand der hinteren Elemente so gross sein, dass diese nicht gegen den Willen des Kommandanten in das Gefecht der vorderen Elemente hineingezogen werden und dass eine seitliche Verschiebung noch möglich ist.

Im Angriff dienen die Reserven zum Ausnützen des Erfolges durch raschen Stoss in die Tiefe, zur Aufrechterhaltung des Angriffsschwungs durch Ablösung abgekämpfter Truppenteile, zur Bildung neuer Schwergewichte und Inbesitznahme neuer Angriffsziele, zur Abwehr feindlicher Gegenaktionen.

10.4.4.2 Auslösung und Ablauf des Angriffs

Die Angriffszeit ist diejenige Zeit, zu der die Ablauflinie mit den vordersten Angriffselementen überschritten wird. Sie kann zum voraus festgelegt oder auf eine sogenannte H-Zeit bezogen werden. Im zweiten Falle empfiehlt es sich, den Zeitpunkt der Angriffsbereitschaft im voraus zu bestimmen. In der Regel sollen die Stosskräfte der vorderen Angriffselemente, soweit sie untereinander in direkter Fühlung stehen, die Ablauflinie gleichzeitig überschreiten.

Mit dem Feuer der Artillerie auf erkannte und vermutete Stellungen des Gegners ist der Angriff vorzubereiten bzw. einzuleiten. Auf Vorbereitungsfeuer ist zu verzichten, wenn es den Angriffserfolg aufgrund der entfallenden Überraschung in Frage stellt. Auch wenn der Angriff sorgfältig vorbereitet ist, wird der tatsächliche Verlauf in mancher Hinsicht vom ursprünglichen Plan abweichen. Unerwartet harter Widerstand an der einen, Erfolg an anderen Stellen sowie störende Einflüsse aller Art zwingen den Kommandanten zu einer ständigen Anpassung der Massnahmen an den Verlauf der Ereignisse.

Je weiter der Stoss vorangetrieben wird, umso mehr nimmt er den Charakter des Angriffs nach kurzer Vorbereitung an. Die gewonnene Initiative ist unter allen Umständen zu wahren. Die Inbesitznahme von Schlüsselgelände schafft günstige Bedingungen für die Fortsetzung des Angriffs.

Alle bereits im Einsatzraum befindlichen Truppen werden dem angreifenden Verband einsatzunterstellt oder allenfalls zugewiesen. Dabei kann es nötig werden, durch Festlegung neuer Abschnittsgrenzen günstigere Kommandoverhältnisse zu schaffen. Zurückgebliebene Truppenteile des Gegners sind niederzukämpfen, sobald es die Lage gestattet. Die Säuberung des Angriffsstreifens besteht in einer Folge von Angriffen.

In günstigen Lagen kann – vor allem mit mechanisierten Kräften – die Verfolgung aufgenommen werden, um den Gegner zu vernichten oder ihn mindestens daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen oder den Kampf wiederaufzunehmen.

10.4.4.3 Angriff mechanisierter Einsatzverbände

Der Angriff eines mechanisierten Einsatzverbandes hat zum Ziel, aufgelaufenen, durchgebrochenen oder luftgelandeten Gegner zu zerschlagen sowie allenfalls verlorenes Gelände zurückzugewinnen. Er soll auf operativer wie taktischer Stufe die Entscheidung herbeiführen. Er ist wenn immer möglich gegen die Flanke oder in den Rücken des Gegners zu führen.

Zeigt der Angriff nicht die erhoffte Wirkung, löst sich der Einsatzverband vorerst vom Gegner, um in die Verteidigung überzugehen und seine Kräfte neu zu gliedern. Je nach Lage entscheidet der Führer, ob er die Lage mit zusätzlichen Mitteln – vor allem Feuer – bereinigen kann oder ob er den Angriff gänzlich abbrechen, vorerst weiter in der Verteidigung bleiben oder allenfalls in die Verzögerung übergehen soll.

Die gewaltsame Aufklärung kann allenfalls mit besonders ausgeschiedenen Kräften durchgeführt werden.  Voraussetzung für den Angriff mechanisierter Verbände ist eine vorteilhafte Luftsituation. Entscheidend für den zügigen Verlauf des Angriffs ist die straffe Leitung des Feuers aller Unterstützungswaffen und das entschlossene Ausnützen seiner Wirkung durch die Kampfverbände.

Die Unterstützung der Artillerie umfasst im wesentlichen das Zerschlagen gegnerischer Feuerquellen und Ziele sowie das Überwachen bestimmter Geländeteile. Je nach Gefechtsgliederung unterstützen Aufklärungs-, Infanterie- oder Panzergrenadierverbände das Vorgehen des Panzerverbandes und stellen dieses durch Angriffe mit begrenztem Ziel sicher. Ihre Aufgaben im Gefecht sind u.a. Flanken schützen, Engnisse nehmen, Austritt ins offene Gelände sicherstellen.

Reserven werden gebildet, um Erfolge unverzüglich auszunützen, den Schwerpunkt zu verlagern, Krisenlagen zu überwinden. Zeichnet sich ein Erfolg ab, setzt der mechanisierte Einsatzverband zur Verfolgung des weichenden Gegners an. Er versucht dabei, diesen von den rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden, ihn einzuschliessen und zu vernichten.

Bei der Bewegungs- und Hindernisführung steht das Offenhalten von Achsen bzw. von Übergängen im Vordergrund. Der Kommandant entscheidet, welche Sprengobjekte er in seine Kampfführung einbeziehen will.

10.4.4.4 Angriff infanteristischer Einsatzverbände

Der Angriff durch infanteristische Einsatzverbände ist in der Regel nur in bedecktem, überbautem oder gekammertem Gelände möglich. Er richtet sich hauptsächlich gegen einen aufgelaufenen Gegner in Engnissen, vor Stützpunkten und Sperren.

Infanteristische Angriffe führen in der Regel über kurze Distanzen. Ihr Erfolg ist in hohem Masse von der zeitgerechten Auslösung, der gedeckten Annäherung und der Überraschung abhängig. Das Infanteriebataillon kann splittergeschützt über grössere Distanzen verschoben werden. Der Kampf der Gefechtsgruppen erfolgt grundsätzlich abgesessen.

Der Kommandant entscheidet, ob der Angriff durch die Unterstützungswaffen eröffnet werden soll. Infanteristische Kleinverbände (ca. Zugstärke) zerschlagen oder vernichten Teile des Gegners und verunsichern ihn. Sie schaffen so günstige Voraussetzungen für den Verteidigungskampf.

Der Angriff durch infanteristische Kleinverbände erfolgt im Vorgelände eines Verteidigungsdispositivs oder im Rücken des Gegners. Er besteht hauptsächlich aus Überfällen, Hinterhalten und Handstreichen.  Die Angriffsziele infanteristischer Kleinverbände müssen auf die Absicht des vorgesetzten Kommandanten abgestimmt sein. Ihr Einsatz ist mit im gleichen Raum kämpfenden Truppen zu koordinieren.

Im Rücken des Gegners versorgen sich die infanteristischen Kleinverbände aus vorsorglich angelegten Depots. Besondere Vorbereitungen sind im Sanitätsdienst zu treffen. Das Zurückführen, die Aufnahme oder der Entsatz von infanteristischen Kleinverbänden ist vorzubereiten.

10.4.4.5 Angriff in offenem Gelände

Mechanisierte Verbände sind mit ihrer hohen Feuerkraft und Beweglichkeit zum Angriff in offenem Gelände geeignet. Die Infanterie und die Panzergrenadiere unterstützen das Vorgehen des Panzerverbandes und stellen dieses durch Angriffe mit begrenztem Ziel sicher, indem sie Flanken schützen, Engnisse nehmen und den Austritt ins offene Gelände sicherstellen.

In offenem Gelände können Infanterieverbände nur mit Unterstützung durch Panzer erfolgreich angreifen. Diese sind in der Lage, eine reaktionsschnelle, weitreichende und geschützte Panzerabwehr sicherzustellen. In offenem Gelände kann der Einsatz von Panzerjägern zugunsten der Panzerverbände angezeigt sein. Die Panzerjäger können aufgrund ihrer Reichweite Schutzaufgaben übernehmen oder das Herauslösen des Angriffsverbandes unterstützen.

10.4.4.6 Angriff in bedecktem Gelände

In Waldgebieten ist der Einsatzraum unübersichtlich, und der Kampf auf kurze Distanzen steht im Vordergrund. Die Bewegungen der Truppe sowie die Möglichkeiten für eigenes Feuer und Unterstützungsfeuer sind im Wald stark eingeschränkt. Die Truppe wird sich daher immer wieder überraschend vor neue Lagen gestellt sehen.

Der Angriff in Waldgebieten erfordert hauptsächlich Infanterieverbände und ist zeitaufwändig. Sekundäre Wirkungen des gegnerischen Feuers wie Baumfall und Waldbrände sind bei Planung und Durchführung des Angriffs zu berücksichtigen. Die Aufklärung in Waldgebieten ist schwierig und zeitaufwändig. Gute Ergebnisse sind mit Luftaufklärung – im günstigsten Fall durch Drohnen – und unmittelbarer Gefechtsfeldaufklärung zu erzielen.

Bei der Durchführung von Angriffsaktionen sind folgende Grundsätze zu beachten: Der Angriff erfolgt abschnittsweise über nah gesteckte Zwischenziele. Die Kräfte hinter breiter Gefechtsfeldaufklärung sind vorerst mit schmaler Front in die Tiefe zu gliedern, um bereit zu sein, erkannte schwache Stellen der gegnerischen Verteidigung mit zusammengefassten Kräften rasch durchstossen zu können.

Die gegnerische Beobachtung und die Panzerabwehr am Waldrand sind vor Angriffsbeginn auszuschalten. Um sich gegnerischem Feuer zu entziehen, muss die Randzone des Waldes rasch überwunden werden. Da ein Angriff entlang von Strassen und Wegen in der Regel auf die Hauptsperren des Gegners führt, sind diese vorgängig durch Umfassung zu öffnen, um den Angriffsschwung der Hauptkräfte zu erhalten.

Da in Waldgebieten die Führung erschwert ist, sind den infanteristisch angreifenden Verbänden zum vornherein die nötigen Unterstützungskräfte und -mittel zuzuteilen. Reserven folgen unmittelbar hinter den Stossverbänden, um Überraschungen begegnen oder Angriffserfolge ausnützen zu können. Die Schiesskommandanten der Unterstützungswaffen arbeiten in dieser Phase teilweise direkt mit den vordersten Elementen der Angriffsverbände zusammen.

10.4.4.7 Angriff in überbautem Gelände

Bei der Durchführung von Angriffsaktionen in überbautem Gelände sind folgende Grundsätze zu beachten: Überbautes Gelände ist an möglichst vielen Stellen gleichzeitig mit in die Tiefe gegliederten Verbänden auf schmaler Front anzugreifen. Die gegnerische Beobachtung und Panzerabwehr am Rande des überbauten Geländes ist vor Angriffsbeginn auszuschalten. Der Angriff verläuft entlang von Strassen und Wegen, wobei wichtige Kreuzungen Zwischenziele sein können. Angriffsziel ist in der Regel eine Strassenspinne oder ein dominierendes Objekt im Zentrum des überbauten Geländes. Wenn immer möglich soll versucht werden, an gegnerischen Sperren und Stellungen vorbeizustossen und diese über die Flanke oder aus dem Rücken anzugreifen. Massgeschneiderte Stosselemente kämpfen in parallel oder konzentrisch verlaufenden Angriffsstreifen. Die Stosselemente kämpfen auf sich selbst gestellt und müssen daher über alle Kräfte und Mittel verfügen, um den gegnerischen Widerstand zu brechen. Reserven folgen unmittelbar auf die Stosselemente. Die Schiesskommandanten der Unterstützungswaffen arbeiten in dieser Phase teilweise direkt mit den vordersten Elementen der Angriffsverbände zusammen.

Der Angriff in überbautem Gelände gewinnt an Bedeutung, sind doch weite Teile vor allem des Mittellandes überbaut. Im Gegensatz zu Ortschaften herkömmlicher Bauart ist überbautes Gelände oft gekennzeichnet durch eine lockere Struktur von Fabrikhallen und Einkaufszentren mit dazwischenliegenden offenen Flächen, wie Lagerflächen, Parkplätzen und Sportanlagen.

Schussdistanzen können sehr unterschiedlich sein. Die Gebäude haben in den meisten Fällen nur Tarnwert. Die angreifenden Verbände benötigen splittergeschützte Transportmittel und Unterstützung durch Panzerkanonen. Überbautes Gelände kann sowohl für den Gegner als auch für die eigene Kampfführung Schlüsselgelände sein.

Die Feuerunterstützung durch die Artillerie bezweckt, dem Gegner das Ausbrechen aus dem überbauten Gebiet oder das Nachführen von Reserven zu verunmöglichen. Die ideale Unterstützungswaffe im Kampf im überbauten Gelände ist der Minenwerfer. Das Feuer unterstützt direkt die stossenden Elemente.

Der Angriff in überbautem Gelände erfordert viel Zeit und starke Kräfte. Er stellt zudem hohe Anforderungen an die Führung. Die notwendige Rücksichtnahme auf die Bevölkerung und die Berücksichtigung der industriellen ABC-Risiken beeinflussen die Angriffsführung. Sie schränkt die Handlungsfreiheit der Führung und die Wirkungsmöglichkeiten der Angriffskräfte, insbesondere des Feuers, stark ein.

Die Aufklärung in vom Gegner besetztem überbautem Gelände ist schwierig. Mit Luftaufklärung und bedingt mit elektronischer Aufklärung werden am raschesten Ergebnisse erzielt. Infiltrierte Aufklärungspatrouillen erbringen punktuell die genauesten Resultate, benötigen dazu aber in der Regel viel Zeit. In überbautem Gelände ist der Einsatzraum unübersichtlich. Der Kampf auf mittlere bis kurze Distanzen steht im Vordergrund. In überbautem Gelände kommt dem engen Zusammenwirken von Panzern und Infanterie grosse Bedeutung zu. Ob letztere die Panzer unterstützt oder umgekehrt, hängt von der jeweiligen Situation ab.

Ad hoc gebildete Gefechtsverbände, bestehend aus Infanterie, mechanisierten Verbänden, Genie und unter Umständen Artillerie werden die grössten Erfolgschancen haben. Die Vorbereitung für einen solchen Einsatz benötigt jedoch Zeit. In Ausnahmefällen (Unterstützung im Häuserkampf) können Teile der mechanisierten Artillerie im Direktschuss zum Einsatz gelangen. Durch infiltrierte Verbände kann der Angriff unterstützt werden, sei es im Sinne von Vorausaktionen oder Stösse in die gegnerischen Flanken. Dabei ist durch zeitliche und räumliche Massnahmen sicherzustellen, dass die infiltrierten Verbände nicht zwischen die Fronten geraten.

10.4.4.8 Angriff in gekammertem Gelände

Angriffe im gekammerten Gelände richten sich vor allem gegen in Stauräumen aufgelaufene und blockierte Gegner sowie gegen Schlüsselgelände an Verkehrsachsen, das der Gegner besetzt hat sowie gegen luftgelandeten Gegner. Weitere wichtige Angriffsziele sind beherrschende Höhen, Engnisse, Ortschaften, gegnerische Truppenansammlungen, Unterstützungswaffen und Versorgungseinrichtungen. Im gekammerten Gelände ist die verstärkte Kompanie in der Regel der Angriffsverband; dieser ist nahe am Einsatzraum bereitzuhalten.

Oft ist es angezeigt, ein ganzes Bataillon einzusetzen, das koordiniert an mehreren Orten gleichzeitig angreifen kann. Die erschwerte Nachrichtenbeschaffung aber auch der hohe Nachrichtenbedarf aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit und beschränkten Einsicht in andere Geländeteile sowie die einschränkenden Witterungs- und Umweltbedingungen erfordern die Unterstützung durch Gebirgsspezialisten bei terrestrischen Einsätzen oder Vorausaktionen.

Eine Mischung von Infanterie- und Panzerverbänden kann entscheidend sein. Da das gekammerte Gelände den verteidigenden Truppen zahlreiche Vorteile bietet, ist das Risiko eines Angriffs ohne gründliche Vorbereitung besonders hoch. Ein Angriff nach kurzer Vorbereitung kann sich dann lohnen, wenn der Gegner sich in einer viel niedrigeren Gefechtsbereitschaft befindet und die sofortige Entfaltung der eigenen Kräfte möglich ist.

Die terrestrische Aufklärung im Gebirge ist besonders zeitaufwändig. Wenn möglich ist sie durch Luftaufklärung – Flugzeuge und Drohnen – zu ergänzen. Eine sorgfältige Erkundung ist unerlässlich. Fehler in der Geländebeurteilung wirken sich im gekammerten Gelände besonders stark aus und können zu grossen zeitlichen Verzögerungen führen. Im Weiteren sind spätere Umgruppierungen von Truppen schwierig und zeitraubend.

Der Angriff entlang dem Talboden kann rasche und getarnte Bewegungen begünstigen. Die angreifende Truppe trifft hier aber meist auf den stärksten Widerstand, weil der Talboden häufig auch durch Feuer von den Höhen herab beherrscht wird. Zu Beginn des Angriffs sind gegnerische Unterstützungselemente auf den flankierenden Höhen durch Feuer zu zerschlagen, zumindest aber während kritischer Phasen des Angriffs niederzuhalten. Aktionen im Talboden und gegen die flankierenden Höhen sind sorgfältig zu koordinieren. Hat sich ein Gegner im Talboden stark eingerichtet, kann es angezeigt sein, ihn dort zu binden und über Höhen und Seitentäler zu umgehen. Begleitende Angriffe über die Höhen werden in der Regel nur mit kleineren, zum Kampf im gekammerten Gelände besonders geeigneten Verbänden geführt. Ein solcher Angriff kann dem Gegner während längerer Zeit verborgen bleiben und ihn an empfindlicher Stelle treffen. Angriffe entlang der Talflanken und über die Höhen verlaufen langsam und erschweren die Entfaltung der Verbände, den Einsatz der Unterstützungswaffen und die logistische Leistungserbringung.

Das Verschieben von Angriffsverbänden in gekammertem Gelände ist aufgrund des Geländes und seiner Bedeckung besonders schwierig und zeitaufwändig. Im Gebirge sind sehr schnelle Wetterumschläge möglich, die den zeitlichen Ablauf einer Aktion stark beeinträchtigen, sich aber auch zugunsten des Angreifers auswirken können, weshalb das durch die meteorologischen Verhältnisse bedingte Risiko sorgfältig abzuwägen ist. Reserven sind zentral zu führen, aber dezentral bereitzustellen. Je nach Lage ist die vorsorgliche Erhöhung der Autonomie angezeigt. Wo möglich ist für den Nachschub von Gütern und Evakuierungen LT-Kapazität bereitzuhalten.

10.4.5 Zeitliche Aspekte

Der militärische Führer berücksichtigt besonders das Risiko für eine Angriffsaktion. Je mehr Zeit er für seine Angriffsvorbereitungen zur Verfügung hat, umso mehr Zeit hat der Verteidiger, um seine Verteidigung einzuexerzieren. Es geht für den Angreifer darum, die zur Verfügung stehende Zeit des Verteidigers durch rasche Auslösung der Angriffsaktion zu reduzieren, um den Verteidiger möglichst zu überraschen. Rasche Einsätze kleiner, schlagkräftiger Einsatzverbände wirken oft nachhaltiger als späte Massnahmen grösserer Verbände.

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Infobox


Quellen: TFXXI, Reglement 51.020d Taktische Führung XXI

Verfasser: Jan Baumgartner

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